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Die Celler Strassenbahn


Vor fast 60 Jahren ging eine Ära zu Ende.

Mit Girlanden geschmückt startet die Celler Straßenbahn (sie schrieb sich Strassenbahn), mit Blumenschmuck fährt sie vor mehr als fünfzig Jahren ihre letzten Touren. „Zehn Minuten vor zwei Uhr setzten sich die mit Girlanden geschmückten Wagen … in Bewegung zur Befahrung der Strecke Berggarten – Neustädterbrücke und zurück, die in äußerst fideler Stimmung vor sich ging. Alle waren des Lobes voll über den ruhigen Gang der Wagen, deren elegantes Aussehen und die Schnelligkeit der Fahrt,“ so schrieb die Cellesche Zeitung am 2. November 1907 über die Jungfernfahrt der Celler Straßenbahn.

Mitglieder der Straßenbahngesellschaft sowie zahlreiche Gäste hatten sich zusammengefunden, um diesen Tag feierlich zu beginnen. Viele Reden wurden gehalten und Dank ausgesprochen. Besonders hob Oberbürgermeister Denicke den Initiator der Straßenbahn hervor: den Celler Zwiebackfabrikanten Harry Trüller. Bereits seit 1903 hatte man sich in Celle mit der Frage der Errichtung eines Straßenbahnnetzes beschäftigt, aber besonders Trüllers Energie und Engagement war es zu verdanken, dass die Pläne schließlich in die Tat umgesetzt werden konnten.

Schienennetz bis zum Neustädter Holz ausgebaut

Bereits im Jahr 1910 beförderte die Celler Straßenbahn 650 000 Menschen und die Zahl stieg jährlich, so dass 1913 das Schienennetz über die neu erbaute Fuhsebrücke direkt in den Wald – Neustädter Holz – erweitert werden konnte. Damit erhöhten sich die Schienenkilometer auf 4,26.

Der Erste Weltkrieg brachte eine beinahe für damalige Zeiten revolutionäre Erneuerung: Frauen übernahmen nun den Dienst. Das gesamte Personal der Straßenbahn war zum Kriegsdienst eingezogen und so mussten Frauen als Wagenführer ausgebildet werden. Vorrangig wurde dabei auf die Ehefrauen der sich im Krieg befindlichen Wagenführer zurückgegriffen. Die Kriegsjahre und Nachkriegsjahre waren auf die Celler Straßenbahn wirtschaftlich eine so schwierige Zeit, dass es schließlich am 1. Mai 1922 zur Stilllegung des Betriebes kam.

Nach der Inflation und einer in gewissem Rahmen erfolgten wirtschaftlichen Konsolidierung nahm die Celler Straßenbahn am 1. Juli 1924 wieder ihren Betrieb auf. Im Zuge dieser Wiederinbetriebnahme konnte sogar das Streckennetz erweitert werden: der neu angelegte Stadtfriedhof an der Lüneburger Straße wurde nun von der Straßenbahn angefahren. Diese Strecke erwies sich aber schnell als wenig rentabel, so dass sich der Straßenbahnvorstand im November 1925 zur Einstellung entschloss. Dafür band man aber die Blumlage bis zur Blumläger Kirche in den Fahrplan ein, was einer Verlängerung des Streckennetzes um einen Kilometer entsprach.

Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde erstmals über eine Stilllegung der Celler Straßenbahn diskutiert. Aber neben einer abermaligen Erhöhung der Anzahl der Fahrgäste, gab es auch viele Nachteile und gefährliche Situationen durch die Straßenbahn.

Bahn verursachte immer wieder Verkehrsstau

Die Schienenführung in der Altstadt war ein Hindernis und eine Gefahr für Passanten und Autofahrer. In den engen Altstadtstraßen kam es durch die Bahn immer wieder zum Verkehrsstau. Ortsfremde Fahrzeugführer übersahen die tief hängenden Bahnsignale und stießen mit ihnen zusammen. An den unübersichtlichen Straßeneinmündungen war oftmals geistesgegenwärtiges Reagieren der Autofahrer gefordert. Trotzdem wurde vorerst von einer Stilllegung abgesehen.

Es kam aber zu einer neu schneidenden Veränderung. Ab März 1935 wurde eine Art Zubringerdienst mit Autobussen eingerichtet, der den Stadtteil Wietzenbruch mit der Endstation der Straßenbahn im Neustädter Holz verband. Durch die Errichtung zahlreicher Siedlungen in Wietzenbruch war die Bevölkerung dort stark angestiegen.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges fanden zehn Frauen einen Arbeitsplatz bei der Celler Straßenbahn. „Autorität gibt den Schaffnerinnen die neue Uniform … Käppi, Jackett, Rock sind grau, Biesen und Beschläge grün, den Kragen ziert ein geflügeltes Rad. Sie sehen schmuck aus und jeder freut sich.“ Berichtet die Zeitung.

Die Kriegsjahre brachten einen erheblichen Anstieg der Beförderungszahlen, und so wurden 1944 beispielsweise 12 095 Fahrgäste täglich transportiert und im gesamten Jahr 3 872 321 mit der Straßenbahn und 482 047 mit den Celler Autobussen.

Vor 50-jährigen Bestehen zu Grabe getragen

Die letzten Kriegstage brachten erhebliche Einschnitte für den Betrieb der Celler Straßenbahn. Durch die Sprengung der großen Allerbrücke war die Verbindung zum Siemensplatz unterbrochen. Der Bombenangriff vom 8 April 1945 zerstörte zudem die Bahnhofsunterführung, die Schienen und die Oberleitungen der Straßenbahn an dieser Stelle. Hierdurch kam der Betrieb der Bahn vom 9. April bis zum August 1945 vollständig zum Erliegen.

Auch 1946 gab es Einschränkungen: Stromausfälle und das außergewöhnliche Hochwasser führte zu Störungen. Das Streckennetz konnte nicht erweitert und die Jahrzehnte alten Triebwagen nicht ersetzt werden. Die Einstellung des Straßenbahnbetriebes war fast vorauszusehen.

Als erstes wurde 1954 die Linie 2 vom Markt bis zur Blumläger Kirche eingestellt und durch Autobusse ersetzt. Nun konnten auch das Wohngebiet Blumläger Feld und einige Male am Tag auch Altencelle angefahren werden. Es folgte 1955 die Einstellung der Linie, die in Richtung Neustadt fuhr. Übrig blieb nur das kurze Stück von Markt zum Hauptbahnhof. Obwohl immer wieder betont wurde, alles dafür zu tun, diese letzte Strecke zu erhalten, kam es bereits im folgenden Jahr zur Stilllegung.Fast hätte es die Celler Straßenbahn geschafft, ihr 50-jähriges Bestehen zu feiern. Aber am 2. Juni 1956 wurde sie quasi „zu Grabe getragen“. Sang- und klanglos ging dies aber nicht von statten. Die Celler Bevölkerung bereitete „ihrer“ Straßenbahn rührende Abschiedsszenen. Sie winkten ihr von den Straßenrändern zu. Für viele Celler, die mit ihr aufgewachsen waren, ging eine Ära zu Ende.